VORFRÜHLING

Von den braunroten Dachschindeln rieseln grauglänzende Bäche. Man muß diesen harten Winter wegschwemmen, auflösen. Die Blumen und Gräser wollen auch schon heraus, nicht nur die genialen Schneerosen und Eriken, die der Nachwinter nicht geniert. Aber es gibt diskretere Kräuter, die erst auf den ernsten „Ruf des Frühlings“ Folge leisten und nicht gewillt sind, mit Schnee und Kälte zu „paktieren“. Das Berg-Schneeglöckchen zum Beispiel, das Leberblümchen und der Frühlings-Enzian. Die lassen mit sich kein Geschäft machen; ein paar sonnige Tage können sie nicht verführen, ihre Pracht zu entfalten. Sie wollen Numero Sicher gehen, also eigentlich „Philister der Blumenwelt“. Nicht vorzeitig verwelken wollen, ist immer eine Art von „philiströser Tätigkeit“! Franz Schubert, Hugo Wolf usw. usw. hatten sie nicht. Leute, die „Eau de Vichy“ trinken statt „Enzian-Schnaps“, sind zu verwerfen! Sie legen zuviel Wichtigkeit ihrem absolut unwichtigen Organismus bei. Ich bin gewiß für Gesundheit. Aber sie muß auch für andere wertvoll sein. Die Gesundheit der Wertlosen ist wertlos! Der „Hypochonder“ hat irrige Ideen vom Werte seiner Erhaltung! Wir verzichten gerne auf seine Lebenskräfte, die uns doch nichts bieten können! Ein „reeller Kranker“ ist uns lieber als ein „falscher Gesunder“! Das merkt euch, ihr „Wucherer mit der Gesundheit“! Früchte, die fallen wollen, soll man abreißen! Aber statt dessen läßt man sie oben, und sie schreiben fünfaktige Dramen, oder malen, oder bildhauern, jedenfalls treiben sie irgendeinen schädlichen Unfug!