VENEDIG

Und plötzlich fiel es ihm ein, ein trauriges Erschrecken — — — ja, sie wollte nicht mit ihm verkehren!

Es wurde ihm sogleich zur Gewißheit!

Mit untrüglicher Klarheit war es in seinem armen Gehirn, in seinem armen Herzen, plötzlich, lähmend, vernichtend, untergrabend! ja, er hatte es sogar gewußt, gewußt, das heißt geahnt, schon nach den ersten Stunden des Beisammenseins. Sie wollte ihn gleichsam sogleich beschützen vor seiner Erkrankung an ihr, vor seiner Torheit, vor seinen kommenden Kränkungen, vor seiner Sehnsucht am lauten Tage und in stiller Nacht, ja, vor seiner Sehnsucht wollte sie ihn beschützen, kurz vor allem und allem und allem, und zwar sogleich, prompt, radikal, hilfreich, unerbittlich, wie ein Arzt, wie eine Mama, wie eine Schwester, wie eine Heilige. Eine schöne Idee, eine Aufgabe, eine Mission!

Gestern war er um 7 morgens in ihrer Kabane, hatte ihr schwarz-weißes noch feuchtes Schwimmkleid geküßt, das an einem Haken hing. Und ihre Bastpantoffeln und den Rand ihres Trinkglases. Das Meer war schön, ja, das Meer war schön. Er hatte ihr dann, um 11, von seinem Morgengruß erzählt. Aber heute morgens war der Vorhang irgendwie verschlossen. Auch fragte sie ihn um 1 nicht, weshalb er keinen Kabanenbesuch gemacht habe, weshalb er nicht gebadet habe, ob er nicht wohl sei, oder sonst irgend etwas Menschenfreundliches. Sie fragte nach nichts. Wißt ihr was das heißt?! Nein, das wißt ihr nicht, Gott sei Dank! Todesurteile für die wehrlose Seele!

Was war los?!

Ihr Gatte?!

Ihr Liebhaber?!

Komplikationen?!

War sie unglücklich verliebt in irgendwen, absorbiert, betäubt, angenagelt?!

War sie krank, körperlich, Magen, Darm oder noch heiklicher?!

War sie müde?!

Hatte sie vielleicht überhaupt genug oder zuviel?!

Wollte sie sich freihalten für Konvenierenderes?!

War er nicht nach ihrer Fasson?!

War er zu unheimlich ungestüm mit seiner Seele?!

Wollte sie ihn wirklich schützen vor sich selbst?!

Aber das wäre ja schrecklich.

Denn er hatte die feste unerschütterliche Absicht gehabt, an ihr, an ihr zugrunde zu gehen! Aber vielleicht war es besser so! Am nächsten Morgen sagte sie: „O, Sie haben schon genug von mir, ich bitte, antworten Sie nichts, so etwas fühlt man ganz genau, schade — — —.“

Er stand da, und lauschte den Worten, die bereits verklungen waren.

Das Meer war schön, schön, wie niemand es schildern könnte — — —.