DIE TÄNZERIN

Das Kind, allein in der Garderobe der Tänzerin, ordnet liebevollst alles — —.

Sie setzt sich dann in eine Ecke auf ein niedriges Stockerl, kauernd in sich versunken.

Die Tänzerin kommt, erhitzt, erregt vom Tanzen.

Sie setzt sich an den Toilettetisch.

Sie wendet sich um, erblickt das kauernde Kind.

„Immer, Marie, kauerst du da in der Ecke in meiner Garderobe, stundenlang. Wird dir denn das nicht langweilig?!?“

„Nie, Fräulein! Nur Menschen, die ich nicht lieb habe, langweilen mich. Menschen, die ich lieb habe, langweilen mich nie! Wodurch sollten sie es?!? Alles an ihnen ist mir wert und teuer. Ich könnte ihnen zuschauen von früh bis abends.“

Die Garderobiere blickt herein:

„Was ist das, Mizerl, schon wieder da?! Das Fräulein wird sich bedanken. Entschuldigen Sie, Fräulein, der Fratz ist gar so romantisch veranlagt. Der Vater sagt immer: ‚Wie du zu uns ehrsamen Bürgersleuten kommst — — —.‘ Gestern hat sie beim Nachtmahl gesagt: ‚Jetzt verbrenn’ ich alle meine dummen Märchenbücher — — — ich habe eine lebendige Fee gefunden!‘ So ein Fratz, was?! Man sollt’s nicht für möglich halten. Aber bitt’ Sie, 10 Jahre!? Sie wird’s schon billiger geben mit den ‚lebendigen Feen‘! Die Männer tun uns beizeiten die Märchen austreiben — — —.“ Ab.

Das Kind: „Meine Mutter blamiert mich vor Ihnen. Sie versteht gar nichts von meiner Andacht. Ich habe eine Andacht für Sie, obwohl Sie nur eine Tänzerin sind!“

Es klopft.

„Blumen abzugeben von einem Herrn von Willigsdorf — — —.“

Türe zu.

Es klopft.

„Ah, Max — — —.“

„Ich bin entzückter von dir als je. Du hast dich, gestatte mir die konventionelle Phrase, selbst übertroffen. Aber das empfinde ich! Gott, daß diese kalten Kerls das mitgenießen dürfen!? Aber Gott sei Dank, sie könnens nicht! Nur ich kann es, nur ich kann es, nur, nur ich! Wenn du mir das wenigstens glauben könntest, Hélèn, nur das wenigstens. Es wäre fast alles! Mehr brauchte man ja eigentlich gar nicht!“

„Ich glaube es dir, Max, sonst könntest du es unbedingt nicht so leidenschaftlich überhaupt vorbringen!“

„Diese schönen Blumen! Irgend jemand versucht es mit 50 Kronen mein Lebensglück zu zerstören!“

„Jawohl, Max, alle versuchen das, andere wollen es sogar noch billiger unternehmen und geschickter. Aber alles hängt bei uns Frauen von unserem guten Willen ab; und den habe ich nur für dich! Es ist vielleicht ein Zufall, aber es ist so, Max!“

Er führt ihre Hand tief gerührt zum Munde. Das Kind steht auf, küßt ihm ehrerbietigst die Hand.

„Wer ist dieses Kind?!?“

„Es ist das Töchterchen unserer Garderobiere! Sie kauert immer in der Ecke meiner Garderobe, hält alle meine Sachen in bester peinlichster Ordnung — — —.“

„Hast du die Tänzerin auch so lieb wie ich — —.“

„Das kann ich nicht wisse — — —.“

„Möchtest du ihr alles, alles verzeihen, sogar wenn sie dir ganz ohne Grund eine schreckliche Ohrfeige gäbe?!?“

„Ja, ich möchte es ihr ganz gewiß verzeihen, wegen ihres Tanzens, das ich gesehen habe. Ich möchte mir nur denken: Weshalb tust du das einem Menschen an, der dich so lieb hat?! Wenn du eine Ohrfeige austeilen willst, gib sie doch lieber einem, dem du gleichgiltig bist! Der spürt es doch weniger schmerzlich — — —.“

„Ich glaube, du bist eine gefährlichere Konkurrentin für mich als die Herren, die Blumen schicken — — —.“

Ab.

Es klopft.

Der Theatermeister.

„Herr Theatermeister, Sie haben wieder zu spät hell gemacht, wenn die Sonne bei meinem Tanze endlich sieghaft durchdringen sollte. Es ist schrecklich. Ich glaube, Sie machen es absichtlich — —.“

„Fräulein, so etwas lasse ich mir von niemandem sagen. Das ist eine Gemeinheit, Sie verzeihen schon — — —.“

Die Tänzerin legt ihren Kopf auf den Toilettetisch, beginnt bitterlich zu weinen. Das Kind erhebt sich langsam, macht einen Schritt gegen den Theatermeister, streckt sich, hebt den Arm, sagt: „Hinaus, Sie roher Mensch!“

Der Theatermeister geht langsam ab.

Das Kind kauert wieder in seiner Ecke. Die Tänzerin weint wie ein Kind. Dann trocknet sie ihre Tränen.

Sie wendet sich nach dem Kinde um.

„Niemand hat mich so lieb wie du, niemand — — —.“

Das Kind erhebt sich, steht kerzengerade: „Ich möchte alle töten, die Ihnen etwas Böses antun, Fräulein — — —!“

Ein Diener bringt eine Karte.

„Bitte — — —.“

Ein älterer Herr tritt ein.

„Mein Sohn hat sich gestern erschossen, Ihretwegen — — —. Konnten Sie ihm wirklich nicht helfen, daß er diese seelische Krankheit besiege?!?“

„Nein, ich konnte es nicht, obzwar ich ihm dezidiert sagte, daß er mir völlig unsympathisch sei!“

„Vielleicht hätten Sie es ihm eben nicht so dezidiert sagen sollen — — —.“

„Pardon, mein Herr, ich mußte es! Ich bin eine arme Tänzerin, ausgesetzt ununterbrochen allen Gefahren, die es überhaupt für eine Frau gibt! Überlassen Sie mir das heilige Recht, gegen Eindringlinge, gegen ‚Buschklepper der Seele‘, ‚Rowdys der Seele‘, mich zu wehren!“

„Ich bitte Sie um Verzeihung, Fräulein. Ich bin aber der unglückselige Vater — — —.“

Ab.

Das Kind stürzt zu den Füßen der Tänzerin hin: „Was haben Sie da angestellt, Fräulein?!?“

„Kind, das verstehst du nicht, das verstehst du nicht — — —. Das Leben stellt so viel Schreckliches mit uns an, und wir, wir können es nicht hindern — —.“

Das Kind kauert weinend in seiner Ecke.

Der Theatermeister erscheint:

„Fräulein, es kommt gleich Ihr Tanz in der Krinoline — — —.“

„So, ich danke Ihnen. Bringen Sie aber die Beleuchtung richtig diesmal.“

„Gewiß Fräulein — — —.“

„Und du, Kind, warte auf mich hier. Ich kann dich nicht mehr entbehren — — —.“

Vorhang.